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Wo stecken die fast 80’000 Genossenschaftswohnungen in Zürich?

    Wieviele Genossenschafts Wohnungen gibt es in Zürich? Und wo genau stecken die, und wie kommen wir an sie heran?

    Ganz ehrlich. Uns war nicht ganz klar, wie viele Genossenschaftswohnungen es in und um Zürich gibt. Irgendwo hatte ich mal die Zahl 70’000 gelesen, und nach Erstellen unserer Übersichtstabelle über alle Genossenschaften – und eigenhändigem Zählen der verfügbaren Wohnungen – dann die unglaubliche Zahl: 79’722! Lass uns das auf 80’000 aufrunden, um eine realistischere Zahl als Basis zu haben.

    Aber wie kann es sein, dass für die 211’700 Haushalte in der Stadt Zürich (Stand 2022) knapp 80’000 Genossenschaftswohnungen zur Verfügung stehen? Dann würde ja mehr als jeder Dritte Haushalt schon einer Genossenschaft angehören.

    Liste Genossenschaften Wohnungen Zürich

    Fallbeispiel: Familie mit Kind

    Viele denken sich: „Was sind denn die Kriterien, um in einer Genossenschaft aufgenommen zu werden? Wir sind nicht Einkommens-stark und haben Kinder. Sollte uns das nicht qualifizieren?“.
    Leider ist dem nicht ganz so. Nach einer kurzen Analyse werden wir sehen, weshalb die Zahl 80’000 verzerrt ist und nicht ganz aussagekräftig.

    Fallbeispiel: Wie kommen wir als Familie mit einem Kind zu einer Genossenschaftswohnung?

    Zum besseren Verständnis stellen wir uns ein hypothetisches Fallbeispiel vor. Zwei Erwachsene mit einem Kind, beide arbeiten Teilzeit. Es reicht zum leben, aber eben nicht ganz für ein Leben in Zürich. Sie erhoffen sich die Aufnahme in eine Genossenschaft, um zumindest bei den Fixkosten sparen zu können. Sie warten gespannt auf jedes Inserat, bewerben sich mit herzerwärmenden Unterlagen, hoffen.
    Haben sie Anspruch auf eine der 80’000 Genossenschaftswohnungen?

    Breite Unterstützung für Studenten

    Die Ursache der Verzerrung liegt insbesondere im breit gefächerten Angebot der Genossenschaften. Denn nicht alle Genossenschaftswohnungen stehen unserem Fallbeispiel offen. Gleich mehrere der ‚Wohnungsstärksten‘ Genossenschaften fokussieren sich auf die Unterstützung von Jugendlichen und Studierenden in Ausbildung. Zu recht – schliesslich soll ja der Bildungsweg möglichst Allen offenstehen.
    Bei der WOKO, SSWZ und JUWO kann sich entsprechend nur anmelden, wer jung und in Ausbildung ist. Oft sind deren Angaben in Zimmern beziffert – was auch die hohe Zahl erklärt und die ‚Gesamtzahl‘ von geschätzt 80’000 Wohnungen definitiv verzerrt.

    • WOKO Studentische Wohngenossenschaft mit 4’000 Zimmern
    • SSWZ Stiftung für Studentisches Wohnen mit 2’000 Zimmern
    • JUWU Jugendwohnnetz mit 1566 Zimmern

    Das bedeutet, dass diese rund 7’500 ‚Zimmer‘ oder ‚Wohnungen‘ für unser Fallbeispiel wegfallen.
    Nach Abzug der Studenten-Zimmer oder Wohnungen landen wir bei 72’500 Genossenschaftswohnungen, die potentiell für unsere Familie in Frage kommen.

    Zahlreiche Alters- und Pflegewohnungen

    Als Nächstes widmen sich einige Genossenschaften insbesondere der Pflege von älteren Menschen und solchen, die auf eine Betreuung angewiesen sind.

    Dies bedeutet wiederum, dass sich unsere Zahl von potentiellen Wohnungen für unsere Familie mit einem Kind von 62’500 um knapp 2’400 Zimmer/Wohnungen reduziert auf 70’100. Dies entspricht somit auch in etwa der Zahl, welche ich schon irgendwo gelesen hatte.

    Zuerst Einkaufen, dann Wohnungsvorschläge

    Bei einigen Genossenschaften muss man sich zuerst mit einem Anteilsschein einkaufen, dessen Betrag zwischen 1’000 und 3’000 CHF varieren kann. Erst nachdem man erfolgreich Teilhaberin oder Teilhaber der Genossenschaft geworden ist, hat man Zugang zu Wohnungsinseraten- und Vorschlägen. Unsere Familie kann und will sich das in unserem Beispiel nicht leisten, weshalb die folgenden Genossenschaften wegfallen:

    • WOGENO Genossenschaft selbstverwalteter Häuser mit 531 Wohnungen
    • Kraftwerk1 Bau- und Wohngenossenschaft mit 232 Wohnungen
    • Kalkbreite Genossenschaft mit 147 Wohnungen
    • Dreieck Genossenschaft mit 85 Wohnungen
    • Herzetappe10 Genossenschaft mit 9 Wohnungen

    Dadurch fallen 1’000 potentielle Wohnungen weg, wodurch wir konsequenterweise bei 69’100 landen.

    Bitte anmelden, aber Anmeldung geschlossen

    Bei knapp 30 der insgesamt fast 140 Genossenschaften kann man sich bei Interesse direkt anmelden, und muss nicht auf ein ausgeschriebenes Inserat warten. Aber Vorsicht: Von digitalen Formularen, zu Mails ohne Regeln, über Dossiers per Post bis zur physischen Abholung des Bewerbungsformular in einem Kellergeschoss (BG Wiedikon) gelten jeweils ganz eigene Regeln der Genossenschaften.

    Landet die liebevoll zusammengestellte Bewerbung erstmal auf dem Stapel, sind diese jeweils zwei oder sechs Monate, manchmal ein ganzes Jahr gültig. Dann müssen sie erneuert werden. Fast alle Genossenschaften schreiben, dass sie keine Warteliste führen und jeweils aus dem Stapel der eingegangenen Bewerbungen geeignete Kanditaten auswählen. Dabei möchte ich kurz auf zwei Spezialfälle eingehen:

    • Genossenschaft Neubühl mit 222 Wohnungen. Wohnungen werden nur noch intern vergeben, eine Anmeldung durch Externe ist nicht möglich
    • Genossenschaft Zum Korn mit 197 Wohnungen. Es werden keine Inserate publiziert, aber Anmeldungen werden auch keine mehr entgegengenommen.

    Das sind ’nur‘ 420 Wohnungen die so nicht in Frage kommen, aber es ist frustrierend, wenn man auf den Webseiten der Genossenschaften mit so etwas konfrontiert wird.

    Grosse Familien bevorzugt

    Grosse Familien haben es finanziell natürlich noch schwerer in der Stadt. Eine 4.5-Zimmer Wohnung gilt mittlerweile ja schon fast als Status-Symbol. Entsprechend fokussieren sich ein paar wenige Genossenschaften auf die Unterstützung von grösseren Familien:

    • Heimgenossenschaft Schweighof mit 69 Wohnungen: Familien mit mindestens zwei Kindern.
    • Stiftung Familienwohnungen mit 541 Wohnungen: Familien mit drei oder mehr Kindern
    • Sonderkategorie: die Genossenschaft Kyburg mit 46 Wohnungen: exklusiv 2-2.5 Zimmer Wohnungen.
      Für unsere Familie mit einem Kind ist das längerfristig nicht ideal.

    Zurück zu unseren Rechnungen: Durch Genossenschaften, welche explizit nur grössere Familien unterstützen fallen konkret 656 Wohnungen weg, dadurch landen wir bei rund 68’030 Wohnungen.

    Mindestbelegung nicht erfüllt oder zu kleine Wohnung

    Die meisten Genossenschaften schreiben eine Mindestbelegung von entweder Zimmerzahl = Personenzahl oder Zimmer – 1 = Personenzahl vor. So könnte unsere Familie mit Kind (3 Personen) in den meisten Fällen eine 3 oder 3.5-Zimmer Wohnung ergattern, bei Manchen oder mit Glück sogar eine 4 oder 4.5-Zi Wohnung.
    Leider liegen uns keine Zahlen zu den konkreten Wohnungsgrössen der Genossenschaften vor, deshalb treffe ich eine Annahme auf Basis der durchschnittlichen Zimmeranzahl der ganzen Stadt (Stand 2022).

    • 1-Zimmer Wohnungen: 11.9%
    • 2-Zimmer Wohnungen: 23.2%
    • 3-Zimmer Wohnungen: 35.5% – Familie mit 1 Kind erfüllt Mindestbelegung
    • 4-Zimmer Wohnungen: 21.0% – Familie mit 1 Kind erfüllt teilweise Mindestbelegung
    • 5-Zimmer Wohnungen: 5.8%
    • 6+-Zimmer Wohnungen: 2.6%

    Von den bis jetzt übrig gebliebenen Wohnungen nehmen wir an, dass es sich bei rund 35% um nicht-geeignete 1- und 2-Zimmer Wohnungen handelt und bei 9% um 5- und 6+-Zimmer Wohnungen, bei denen die Mindestbelegung nicht erfüllt wird. Insgesamt fallen 44% oder sage und schreibe 29’900 Wohnungen weg, wodurch wir bei 38’130 potentiellen Wohnungen landen. Dies ist eine konservative Schätzung, da wir annehmen, dass eine Ein-Kind-Familie bei allen Genossenschaften Chancen auf eine 4.5-Zimmer Wohnung hat.

    Skurrile Hürden bei der Genossenschafts-Bewerbung

    Man würde denken, dass der Bewerbungsprozess für Genossenschaftswohnungen schon anstrengend genug ist. Verstörend finde ich etwa, dass bei Anmeldungen – nur schon für die Chance auf eine Wohnungsbesichtigung sprichwörtlich die Hosen runtergelassen werden muss, von Steuerbescheiden über Kündigungsgründe der letzten Wohnung, Referenzen, Privatemail der Arbeitgeber etc. Das Doppelte Ausfüllen der Angaben zu Vermieter und Wohnort, auch wenn man momentan im gleichen Haushalt wohnt.

    Der ewige Prozess von ‚Bewerben auf Inserat – Besichtigung – Einscannen des physischen Formulars – Digitales Ausfüllen dieses Formulars – Zusammenstellung der Unterlagen – Einreichtung der Unterlagen‘ ist bei mehreren duzend Bewerbungen Zeit- und Nervenaufreibend. Geschweige von den Kosten der Erneuerung des Betreibungsauszugs. Hinzu kommen Wohnungsbesichtigungen mit weit über 100 Leuten, Besichtigungstermine mitten im Morgen oder Nachmittags während Arbeitszeiten.

    „Wir standen schon Schlange für eine Besichtigung mitten am Nachmittag, hinter uns 20 Leute. Nach einer halben Stunde Warten in der Kälte dann die Ernüchterung beim Anruf an die Verwaltung: Die Wohnung wurde schon vergeben.“

    Eben. Die Wohnungsnot ist gross, viele Leute sind am verzweifeln. Kein Wunder, dass wir uns auf diese Schikanen einlassen müssen – denn wir haben keine Wahl. Einige skurrile ‚Praktiken‘ zum Schluss, die die Hürden von Seiten der Genossenschaften nicht unbedingt runtersetzten. Nicht um diese anzuprangern, aber um darstellen zu können, wie unterschiedlich und schwierig die Situation bei jeder dieser 140 Genossenschaften sein kann:

    • Die liberale Genossenschaft LGB Höngg publiziert ihre Inserate nur vor Ort in Schaukästen ihrer Genossenschaften
    • Die MBGZ publiziert ihre Wohnungen auf Flatfox, aber nur jeweils zwischen 17:30-18:00 Uhr.
    • Die FFGZ macht es ähnlich und publiziert ihre Wohnungen auf der eigenen Webseite, und zwar um Punkt 16:00 Uhr für eine halbe Stunde
    • Für eine Anmeldung bei der BG Wiedikon muss man das Bewerbungsformular bei ihnen im Büro im Kellergeschoss abholen.

    Endstand: Weniger als die Hälfte

    38’130 sind nicht 80’000 Wohnungen, aber immer noch viele. Nicht ausser Acht lassen darf man folgende Faktroren, die nicht mit einer Zahl beziffert werden können:

    • Einige Genossenschaften bevorzugen ihr ‚eigenes‘ Klientel (Eisenbahner, Bundespersonal etc.)
    • Viele Siedlungen sind am Stadtrand oder Ausserhalb der Stadt, was je nach Arbeitsort nicht in Frage kommt

    Trotzdem: es bestehen realistische Chancen! Aktuell wird viel gebaut, im jedes Jahr werden Siedlungen mit mehreren hundert Wohnungen bezugsbereit.

    Die Mission von Genossenschaftsscout: Hürden abbauen

    Jedem und Jeder, die sich schon einmal mit Genossenschafts-Bewerbungen herumgeschlagen hat weis, was sich spätestens nach dieser kurzen Analyse herauskristallisiert: Gar nicht so einfach, das Ganze!

    Aber Alex und Ich sind optimistisch! Seit wir den Algorithmus für uns benutzen wird uns klar, wieviele Wohnungen tatsächlich ausgeschrieben werden, und es sind immer wieder wirklich coole dabei! Damit zumindest die aktiv von den Genossenschaften publizierten Inserate (auch wenn sie nur zwischen 15:30 und 16:00 Uhr aufgeschaltet werden) ihren Weg zu Dir finden, haben wir den Algorithmus erstellt, der Dir sofort Bescheid gibt.

    Wir wünschen ein frohes neues Jahr und Happy Wohnungs-Hunting.
    Eliane & Alex