Eine der begehrten Genossenschafts-Wohnungen in Zürich zu bekommen scheint manchmal ein Ding der Unmöglichkeit. Gross ist da die Versuchung, sich bei einer Genossenschaft einzukaufen, um bessere Chancen auf eine Wohnung zu kriegen. Aber sind die Chancen wirklich besser? Lohnt sich die Investition, und für wen?
In Zürich gibt es einige wenige Genossenschaften, wo man sich einkaufen muss, bevor man über frei gewordene Wohnungen informiert wird. Mitglied wird man ab 1’000 – 3’000 CHF. Das Geld bekommt man zurück, wenn man später wieder austreten möchte. Bemerkenswert ist aber, dass diese Genossenschaften gegenüber öffentlich publizierenden Genossenschaften tatsächlich über wenig Wohnungen verfügen.
Abkürzung | Genossenschaften | Wohnungen | Informationen |
---|---|---|---|
WOGENO | WOGENO Genossenschaft selbstverwalteter Häuser | 531 | Einkaufen |
Kraftwerk | Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1 | 232 | Einkaufen |
Kalkbreite | Genossenschaft Kalkbreite | 147 | Einkaufen |
Alterskollektiv | Wohnbaugenossenschaft AltersKollektiv | 90 | Einkaufen |
Dreieck | Genossenschaft Dreieck | 85 | Einkaufen |
Herzetappe10 | Genossenschaft Herzetappe 10 | 9 | Einkaufen |
Andere Genossenschaften, wie zum Beispiel die ABZ verfügen über 5’000 Wohnungen, die ASIG über 2’800 Wohnungen, und die Stadt Zürich (welche wöchentlich mehrere Inserate jeweils Freitags inseriert) sogar über 9’000 Wohnungen. Die Frage also bleibt: Lohnt sich ein Einkauf überhaupt?
150 Wohnungen für 2’600 Mitglieder
Als Wohnungssuchende in Zürich war uns die Genossenschaft Kalkbreite ein Begriff – öfters waren sie in den Medien für ihre inklusiven und innovativen Wohnungsmixe – Clusterwohnung, Hallenwohnen, Alters-WG etc. Eine moderne und symphatische Sache also. Für 1’000 CHF Anteilsschein und 200 CHF Eintrittsgebühr wird man Genossenschafts-Mitglied und entsprechend informiert, sobald eine Wohnungen frei wird.
Dies ist persönliche Spekulation – aber ich gehe davon aus, dass der Grossteil aller neuer Mitglieder auf eine günstige Wohnung hofft. Ein Blick auf die Zahlen auf der Webseite lässt diese Hoffnung aber in Ernüchterung umschlagen: Die Genossenschaft zählt gemäss aktuellem Vermietungsreglement 2’600 Mitglieder und verfügt über 97 Wohnungen in der Kalkbreite, und 50 Wohnungen im Zollhaus.
Total also 147 Wohnungen. Für 2’600 Mitglieder.
Innovatives Cluster-Wohnen erwünscht oder lieber nicht?
Gemäss Projektdokumentation bieten diese 147 Wohnungen Platz für 475 Leute – genug also für etwa ein Fünftel der eingekauften 2’600 Genossenschafter. ABER: Der Wohnungsmix der beiden Projekte ‚Kalkbreite‘ und ‚Zollhaus‘ ist doch recht speziell, mit Fokus auf experimentelleren Wohnformen wie Hallenwohen, Clusterwohnen und Gross-Wohngemeinschaften.
Der Fokus liegt eindeutig auf Kleinst- und Grösstwohnungen. Eine gute Nachricht für Einzelpersonen oder solche mit einem Interesse an Wohngemeinschaften.
Mit 44 ein- bis eineinhalb Zimmer Wohnungen stellt dieser Wohnungstyp einen Grossteil des Angebots dar. Diese Kleinwohnungen können teilweise in sogenannten ‚Cluster-Wohnungen‘ zusammengeschlossen werden. Genauso gross ist das Angebot an 4.5 und 5.5-Zimmer Wohnungen, und sogar noch grösseren. Suchst Du aber eine 3.5 Zimmer Wohnung, bist Du in der Kalkbreite an der falschen Adresse. Zudem ist ein gewisser Teil als Alterswohnungen vorgesehen.
Exkurs: Was ist Hallenwohnen?
Das Hallenwohnen ist eine spezielle Form von Wohngemeinschaft, wo ein unbespielter Raum von den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern selber gestaltet, unterteilt und entwickelt wird.
„Mit dem Hallenwohnen wird eine Wohnform weiterentwickelt, die ursprünglich mit Zwischennutzungen und Besetzungen von ungenutzten Gewerberäumen begann und die wir im Zollhaus nun in den regulären Wohnungsbau integrieren.“
Bildquelle: Genossenschaft Kalkbreite, Foto: Annett Landsmann, zurwollke e.V.
Ausgewählt? Es folgt ein intimer Bewerbungsprozess
Du bist Mitglied, hast Dich auf eine ausgeschriebene Wohnung beworben und wirst als eine der 2-5 Bewerbenden für ein Gespräch eingeladen? Toll! Damit ist es aber noch nicht erledigt. Wer von den eingeladenen Bewerbern die Wohnung oder das Zimmer bekommt, geht durch folgenden Prozess (nachzulesen im Vermietungsreglement):
- Vorauswahl
Die Vermietungskommission prüft die Bewerbungen und trifft eine Vorauswahl von zwei bis fünf Bewerbungen - Bewerbungsgespräch
Du wirst zu einem Gespräch mit der unmittelbaren Nachbarschaft eingeladen (sprich: in einer WG mit den WG-Bewohnerinnen, in einer Clusterwohnungen mit den anderen Kleinwohnungen) - Entscheid
Entschieden wird durch diese unmittelbare Nachbarschaft. Will diese nicht entscheiden, entscheidet das Los.
Entschieden wird also nicht durch ein hinter-einem-Schreibtisch-sitzenden Gremium, sondern von den aktuellen Bewohnerinnen und Bewohnern selber. Wie in der guten alten WG-Studi-Zeit. Diese partizipativen (sprich ‚Mitwirkungs‘-orientierten) Genossenschaftsprozesse sind zwar verständlich – aber auch nicht Jederfraus oder Jedermanns Sache. Bei der Genossenschaft Kalkbreite hast Du aber keine Wahl.
Fazit: es kann sich lohnen – aber längst nicht für alle
Zu guter Letzt muss Jede und Jeder selber wissen, wie er oder sie die Wohnungssuche angehen will. Einige möchten sich lieber irgendwo einkaufen und warten, anstatt sich auf öffentlich publizierte Inserate zu bewerben. Grundsätzlich sollten aus unserer Sicht für einen Einkauf in diese Genossenschaft Kalkbreite folgende Kriterien erfüllt sein:
- Du hast Zeit
Es kann dauern, bis eine Wohnung frei wird – geschweige denn, dass Du sie auch erhälst - Du suchst eine Kleinst- oder eine Grösstwohnung
Einzelperson, Paar oder gleich eine WG? Die Genossenschaft Kalkbreite bietet einen breiten Wohnungsmix – aber du musst entweder mit einer kleinen Wohnung oder ganz vielen Mitbewohnerinnen klarkommen - Du hast Lust auf eine partizipative Wohn-Kultur
Als Eigenbrötler und Interessiert-mich-nicht-was-alle-anderen-wollen-Person hast Du es wahrscheinlich schwer, beim partizipativen Prozess durchzukommen. Engagierte Leute sind hier gefragt.